Ich kann deine Bedenken sehr gut nachvollziehen und habe meine Klinikzeit wie folgt erlebt: Für mich war die Klinik in erster Linie eine Art „Auffangstation“, die für mich lebensnotwendig war, da ich mich damals in einer Notsituation befand und mich selbst habe einweisen lassen. Ich wollte nie stationär in die Klinik, das war mein größter Albtraum. Ich hatte mich einige Wochen zuvor um einen Platz in einer Tagesklinik gekümmert, der allerdings noch nicht von der Krankenkasse genehmigt worden war. Dann passierte mein Zusammenbruch, ich nahm völlig betäubt und im Funktionsmodus ein Taxi in die Klinik und wurde dort von den Ärzten stationär noteingewiesen. Ich war ingesamt drei Wochen stationär und zwei Wochen in der Tagesklinik. Viel zu kurz aus heutiger Sicht und sehr bezeichnend für meinen damaligen Zustand.

Es handelte sich um eine kleine Privatklinik, die nicht wirklich auf „Burnout“ spezialisiert war und irgendwie „alles“ behandelte: Suchtpatienten, Menschen mit Psychosen, Demenz, Depressionen, Angst und Zwangserkrankungen … Insofern waren die Patienten eine bunte Mischung sämtlicher „Krankheitsbilder und psychischen Störungen“. Ich nahm die Diagnose „Burnout / Erschöpfungsdepression“ an, konnte aber nicht wirklich etwas damit anfangen. Ich wusste, dass mit mir etwas nicht stimmte, konnte aber nicht sagen, was genau. Da ich innerlich wirklich „fertig“ war (was man mir jedoch äußerlich nicht ansah), gab ich mich sämtlichen Diagnosen und Medikamenten hin. Mir war es schlichtweg wurscht, welchen Stempel ich bekam. Und gleichzeitig machte mich die Zuteilung einer Krankheit auch irgendwie „stolz“, da ich nun endlich kommunizieren konnte, was ich hatte. Ich hatte einen Grund, weshalb ich hier war. Ich habe meinen Burnout angenommen, habe mich jedoch nie damit identifiziert, im Sinne von „ich BIN mein Burnout. Das BIN ich jetzt, ich kann nichts ändern und bin abhängig davon.“ Denn ich finde, das ist tatsächlich das Tückische in unserem „Gesundheitssystem“, was in meiner Wahrnehmung eher „Krankheitssystem“ heißen müsste, da wir Krankheiten und Symptome behandeln und nicht den Fokus auf Gesundheit (Selbstregulation und Selbstheilung) legen. Logisch, bringt ja auch kein Profit …

Insofern war die Klinikzeit für mich eine erste Anlaufstelle, um durchzuatmen und loszulassen (soweit ich das damals konnte). Die Diagnose und Klassifizierungen waren mir, wie gesagt, zum damaligen Zeit fast egal, da diese nicht wichtig für mich, sondern letztendlich zum Abrechnen mit der Krankenkasse waren. So habe ich es zumindest gesehen. Nichtsdestotrotz hat es etwas mit mir gemacht, mit all den anderen „Krankheitsbildern“ in einem Raum zu sein. Erstens, weil die meisten Patienten als Gesprächsthema nur noch ihre Diagnosen und Medikamentendosis haben und zweitens, weil ich hochsensible Ansätze habe (was ich damals jedoch noch nicht wusste), d.h. sehr viel um mich herum spüre. Das macht mich sehr empathisch und „durchlässig“, womit ich damals jedoch noch nicht umgehen konnte. So half ich ständig anderen Patienten, kümmerte mich um sie (da die Krankenschwestern kaum Zeit hatten), bis ich irgendwann die Schnauze voll hatte und wütend zu den Schwestern ging mit der Ansage, sie sollen sich gefälligst um ihre Patienten kümmern, das sei nicht mein Job. Das war meine erste bewusste Grenzerfahrung und Grenzwahrung. Weitere folgten. Herrje, tat das gut. Die Schwestern gingen nicht weiter darauf ein, gratulierten mir jedoch für meinen Schritt. Insofern hatte die vielen „Krankheitsbilder“ um mich herum tatsächlich etwas Positives, nämlich, dass ich anfing, mich abzugrenzen.

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