(Ein Gastbeitrag von Ramona Schollmeyer)

Kintsugi – die Schönheit der Scherben

Wie aus einem vermeintlichen Makel etwas Wertvolles entstehen kann

Was ist Kintsugi?

Mit der japanischen Kintsugi-Methode werden zerbrochene Keramik-Stücke wieder kunstvoll repariert.

Das Ziel der Reparatur ist nicht das bloße Wiederherstellen der Funktionalität, sondern die Wertschätzung des ursprünglichen Keramik-Stückes und die Entstehung von etwas Einzigartigem.

Dies wird erreicht, indem nach dem Zusammensetzen der Scherben, die augenscheinlichen Risse nicht als Makel verborgen werden, sondern extra mit Hilfe von Gold- oder Silberpigmenten im Lack hervorgehoben werden.

So entsteht aus etwas Zerbrochenem, etwas Neues und Schönes.

Kintsugi wird oft als Metapher für die Wertschätzung von Schönheit in Unvollständigkeit und als Ausdruck der Wertschätzung für die Vergänglichkeit von Gegenständen und des Lebens selbst verwendet.

Woher kommt Kintsugi?

Der Ursprung liegt wahrscheinlich im 15. Jahrhundert beim Japaner Ashikaga Yoshimasa. Er war Anführer einer Samurai-Familie (Shogun).

Er zerbrach versehentlich seine Teeschale. Diese schickte er nach China zur Reparatur, war jedoch schwer enttäuscht von dem Ergebnis. Er bat daraufhin um eine ästhetisch ansprechendere Wiederherstellung seiner Teeschale. Das Ergebnis war die Kintsugi-Technik.

Was macht Kintsugi aus?

Es handelt sich um einen langen und viele Stufen umfassenden Reparaturprozess von zerbrochener Keramik.

Dem japanischen Lack (Urushi) werden goldene oder silberne Pigmente zugesetzt. Danach wird er in mehreren Schichten zwischen den Scherben aufgetragen und am Ende poliert.

Die so entstandenen neuen Keramiken stehen dem Original in nichts nach.

Den Kintsugi-Meistern ist die Schönheit und Bedeutung der Objekte wichtig, die der Betrachter durch das Objekt erfährt.

Wabi-Sabi

Der Begriff wurde vom Japanischen Tee-Meister und Zen-Mönch Sen no Rikyu geprägt.

Die Ästhetik, die hinter Kintsugi steht, nennt sich Wabi-Sabi.

Wabi-Sabi bedeutet, die Schönheit im Vergänglichen zu finden, im Alten oder Fehlerhaften zu sehen.

Eine alte, zerbrochene Teeschale ist damit nicht weniger Wert als eine neue makellose Schale. Durch die aufwändige Restauration des Zerbrochenen, entsteht so ein neues wertvolles und einzigartiges Objekt.

Wabi und Sabi sind eng mit Zen verbunden. Viele japanische Kunstrichtungen wurden vom Zen-Buddhismus beeinflusst. Zen ist im Kern eine Kultur der Stille, die gleichzeitig für Einfachheit, schlichte Eleganz, Natürlichkeit und innere Verbundenheit mit der Natur steht. Hierbei wird besonders die Akzeptanz der Unvollkommenheit, des ständigen Flusses und der Unbeständigkeit der Dinge hervorgehoben.

Beispiele hierfür sind z.B. die japanische Garten-Kultur, Bonsais, die japanische Teezeremonie und natürlich Kintsugi.

Was ist Wabi?

Wabi bedeutet ursprünglich sich elend, einsam, verloren zu fühlen und arm zu sein. Armut bezieht sich hier jedoch nicht auf Besitzlosigkeit, sondern auf die Nicht-Abhängigkeit von materiellen Dingen. Daraus wurde später die Freude an der Herbheit des Einsam-Stillen. Spiritueller Reichtum entsteht somit durch die Zufriedenheit mit einfachen Dingen.

Wabi ist damit eine Art spiritueller Lebensweg.

Die Überzeugungen von Wabi stehen in engem Zusammenhang zum Zen-Buddhismus. Der Fokus liegt u.a. auf der Wertschätzung der Vergänglichkeit des Lebens.
Wabi fordert uns zu einem harmonischen Leben mit der Natur auf.

Was ist Sabi?

Sabi bedeutet so viel wie „alt sein“, „Patina zeigen“ und über eine gewisse Reife zu verfügen.

Die stille Würde des Altern und Gebrauchtseins ist Ausdruck von Sabi.

Dabei sind z.B. ein wunderbar bemooster Stein, eine krüppelige schiefe Kiefer, ein an einigen Stellen verrosteter Kessel, oder Ähnliches ein Schönheitssymbol. Diese Objekte sind von natürlichen Prozessen gestaltet, sie sind unregelmäßig und oft unauffällig. Außerdem verdeutlichen sie den universellen Kreislauf vom Entstehen und Vergehen.

Sabi Wahrheiten:

– nichts bleibt
– nichts ist abgeschlossen
– und nichts ist perfekt.

Die Geschichte des kaputten Kruges

Ein indischer Wasserträger trug an einer Holzstange, die über seine Schultern gelegt war, zwei große Krüge. Einer der Krüge war rissig und verlor unterwegs meist die Hälfte des Wassers, während der andere bis zum Haus des Meisters nie einen Tropfen verlor.

So ging das etwa zwei Jahre lang. Während dieser Zeit lieferte der Wasserträger immer nur eineinhalb Krüge Wasser bei seinem Meister ab. Natürlich war der Krug ohne Risse stolz darauf, tagtäglich die gesamte Wassermenge zu transportieren, ohne zu versagen. Der kaputte Krug hingegen fühlte sich schlecht, weil er seine Aufgabe immer nur zur Hälfte erfüllen konnte.

„Ich schäme mich“, sagte der Krug

Nach zwei Jahren, die für den kaputten Krug daher schwierig waren, sagte der Krug zum Wasserträger, als er ihn gerade mit Wasser füllte: „Ich schäme mich so und bitte dich, mir zu vergeben …“ „Aber wieso“, fragte der Wasserträger, „weshalb schämst du dich?“

„Seit zwei Jahren transportiere ich nur die Hälfte des Wassers bis zum Meister. Und das alles wegen dieses Risses, der das Wasser durchsickern lässt. Wegen mir kannst du trotz großer Anstrengung immer nur einen Teil des geforderten Wassers abliefern und bekommst deshalb nicht die verdiente Anerkennung für deine Dienste“, erklärte der kaputte Krug.

Blühende Blumen am Wegesrand

Gerührt über dieses Geständnis und voller Mitgefühl für den Krug antwortete der Wasserträger: „Ich möchte dich nun um etwas bitten. Gleich nachher, wenn wir uns auf den Rückweg zum Meister machen, möchte ich, dass du die Blumen entlang des Weges betrachtest …“

Tatsächlich war der ganze Weg den Hügel hinauf mit Blumen gesäumt, die im Sonnenlicht wunderbar leuchteten. Dieser Anblick war Balsam für die Seele des Kruges. Aber am Ende des Weges überkam ihn wieder große Traurigkeit: Er hatte erneut die Hälfte des Wassers unterwegs verloren!

Etwas zum Glück der Welt beitragen

Da sagte der Träger zum Krug: „Ist dir nicht aufgefallen, dass all die wunderbaren Blumen nur auf deiner Seite des Weges blühen – und dort, wo ich den intakten Krug trage, kaum welche wachsen? Ich wusste schon lange, dass du einen Teil des Wassers verlierst und habe daraus einen Nutzen gezogen. Ich habe Blumensamen auf deiner Seite des Weges gesät. Und jeden Tag gießt du diese mit deinem kostbaren Wasser.

Dank dir konnte ich in den letzten zwei Jahren wunderschöne Blumen pflücken, welche den Tisch des Meisters schmücken. Ohne dich hätte ich nie solch frische, schöne und bunte Blumen finden können.“ Erst jetzt hatte der Krug begriffen, dass auch er – auf seine Weise – etwas zum Glück der Welt beitrug. (aus Indien)

Resümee

Und die Moral von der Geschicht?

Mit seinen Makeln, Fehlern oder Narben hadern, lohnt sich nicht!

So liegt in jeder Schwäche auch eine Stärke. Seine eigenen Schwächen zu sehen und anzuerkennen, kann die Quelle für Wunderbares und Schönes sein.

Kintsugi kann dir als Erinnerung dienen, dass es in Ordnung ist, Fehler zu machen oder verletzlich zu sein, da diese Erfahrungen uns formen und uns zu dem machen, wer wir sind.

Es ist auch ein Symbol für die Schönheit von Unvollkommenheit und die Akzeptanz von Veränderung und Vergänglichkeit.

Mein persönliches Fazit

Nach meinem eigenen Burnout im Jahr 2013/2014, sah ich anfangs auch nur meine Schwäche, und schämte mich dafür, plötzlich keine Leistung mehr erbringen zu können. Ich hatte das Gefühl, dadurch nicht mehr wertvoll zu sein für die Arbeitswelt und meine Familie.

Aber nachdem ich die Ursachen im Innen und Außen reflektierte, und neue Wege zum Umgang mit den Folgen des Burnouts und meinen inneren Dämonen gefunden habe, konnte ich aus dieser gefühlten Schwäche, gestärkt und neu zusammengefügt hervorgehen und wachsen.

Ich gehe sogar soweit, dass diese Krise im Nachgang eine wirkliche Chance auf eine Lebensveränderung war, und mich zu einer stärkeren und SELBSTbewussteren Frau gemacht hat.

Daraus ist auch meine heutige Selbständigkeit entstanden. In meiner Coaching-Praxis, unterstütze ich, mit meinen ganz persönlichen Erfahrungen, den gefundenen Lösungswegen, und mit fundiertem Hintergrundwissen, Menschen, die Gefahr laufen in eine solche Lebenskrise zu geraten. Ebenso kommen Klient:innen zu mir, die nach einer solchen Krise, nachhaltiger und gestärkter zurück ins Leben finden wollen, und mehr innere Freiheit und Lebensfreude suchen.

Ramona Schollmeyer – Coaching & Beratung

Mehr Infos zu Ramona: Ramona Schollmeyer

Ein Interview mit Ramona und mir findest du hier: Interview

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