Gestalttherapie wird häufig mit Gestaltungstherapie (Kunst- bzw. Maltherapie) verwechselt. Gestalttherapie hat erst einmal nichts mit Malen zu tun. Gestalttherapie ist auch keine wirkliche Methode oder Technik, sondern eher eine Haltung, mit der ich als Mensch da bin. Insofern kann jeder Mensch und Therapeut eine gestalttherapeutische Haltung haben, sofern er darin ausgebildet ist.
Die Gestalttherapie geht davon aus, dass sich der menschliche Organismus selbst regulieren kann und dass es ein menschliches Bedürfnis ist, „offene bzw. unvollständige Gestalten“ zu schließen und zu integrieren. Offene Gestalten könnten zum Beispiel folgendes sein: Endlich mal Nein-sagen und Grenzen setzen, das Bedürfnis nach Nähe und Sex, das Bedürfnis nach Rückzug, das Zulassen und Zeigen von Gefühlen wie Angst, Wut, Scham oder Freude oder ein liebevoller Kontakt mit sich selbst. Je nach eigenen inneren Verboten und Selbstregulierungsfähigkeit hindert sich der Klient selbst, eigene Bedürfnisse zu befriedigen, was in meinem Verständnis langfristig zu Burnout, Krankheiten (neben der genetischen Disposition), Frust und Unzufriedenheiten im Leben führen kann.
Die Gestalt bleibt so lange offen, bis der Klient diesbezüglich eine neue Erfahrung in seinem Leben gemacht hat und das jeweilige Thema integrieren konnte. Und genau da setzt die Gestalttherapie an, nämlich, dass zwischen Klient und Therapeut eine Verbindung (Kontakt) entsteht, so dass sich der Klient öffnen kann, um im Kontakt eine neue Erfahrung zu machen. Dafür braucht es einen geschützten und vertrauensvollen Raum, der vom Therapeuten geöffnet und gehalten wird. Die Basis der Gestalttherapie ist somit immer die Beziehungsebene zwischen Therapeut und Klient.
Damit jetzt keine Missverständnisse entstehen: Es geht jetzt nicht darum, mit dem Therapeuten eine Liebesbeziehung oder ähnliches anzufangen. Mit Beziehungsebene meine ich, einen „Herz-Mensch-Kontakt“ zwischen Therapeut und Klienten, d.h. eine Kontaktebene, die auf Vertrauen, Offenheit, Ehrlichkeit und Interesse beruht und wo Diagnosen keine Rolle spielen. Wir alle haben diese Herz-Mensch-Verbindung in uns, lassen sie jedoch häufig nicht zu, weil wir Angst haben, verletzt, abgelehnt oder abgewiesen zu werden bzw. weil wir uns dann selbst sowie unseren Schmerz fühlen würden. Gerade im Burnout-Kontext kann die Erfahrung:
- mich selbst wieder zu spüren
- dass mich mein Gegenüber sieht und wahrnimmt
- dass mein Gegenüber im Kontakt bleibt
durchaus überwältigend und sehr nährend sein.
Die Art und Weise, WIE der Klient im Hier und Jetzt aus dem Kontakt mit dem Therapeuten herausgeht, wird hier erforscht und sichtbar gemacht. Denn das, WAS der Klient im Therapeuten-Kontakt macht, wird er auch „draußen“ im Alltag machen. Durch ein sicheres Erforschen und Ausprobieren von neuen Handlungsfeldern können so neue Ressourcen entstehen, die der Klient anschließend in seinen Alltag integriert.
Das ist in meine Kurzfassung und Definition von Gestalttherapie, wobei Gestalttherapie natürlich noch viel, viel mehr ist