Für mich ist ein Burnout (ein Ausbrennen, d.h. ein Aufbrauchen sämtlicher Kräfte und Ressourcen über einen längeren Zeitraum) neben der Tatsache, dass wir in einer Leistungs- und Konsumgesellschaft leben, mitunter das Ergebnis von Grenzüberschreitungen und Missbräuchen aus der Kindheit. Ich unterschiede hier zwischen:

  • sexuellem Missbrauch (z.B. sexuelle Handlungen)
  • körperlichen Missbrauch (z.B. körperliche Misshandlungen)
  • seelischer Missbrauch (z.B. Demütigung, Vernachlässigung, Beschimpfung, Ablehnung, Manipulation, Kontrolle, Verweigerung von Zuneigung und Liebe)

Ich persönliche lege dabei mein Augenmerk auf den seelischen oder emotionalen Missbrauch. Schon deshalb, weil ich ihn aus meiner Kindheit kenne und von Burnout-Betroffenen weiß, dass sie ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Häufig werden dabei die Situationen, in denen emotionaler Missbrauch stattgefunden hat, von Seiten des Betroffenen als „völlig normal“ oder „doch gar nicht so schlimm“ erlebt. Auch ich musste für mich erst begreifen, dass emotionale Vernachlässigung, der fehlende Schutz bei Angst sowie Trennung der Eltern nicht „normal“ sind – und dass es so etwas wie „Normalität“ nur ganz selten gibt.

So geben Eltern und Bezugspersonen das an ihre Kinder weiter, was sie selbst erfahren haben. Und da unsere (Ur-)Großeltern und Eltern noch am eigenen Leibe einen Krieg erfahren haben, bleibt es nicht aus, dass in dieser Generation bereits eine starke Traumatisierung (z.B. Kriegstrauma der Soldaten, Vergewaltigungen, Hungersnöte etc.) und Überforderung stattgefunden hat, die nicht nur genetisch, sondern auch auf der Verhaltensebene an die nächste Generation weitergegeben wird, wenn vorher keine Aufarbeitung stattgefunden hat bzw. wenn die Themen innerhalb der Familie verschwiegen und tabuisiert werden.

Insofern mag ich sagen: Je mehr die eigenen traumatischen Erlebnisse angeschaut wurden, je mehr Bewusstheit und Offenheit darüber innerhalb der Familie herrscht, je mehr Kontakt zum eigenen Körper und Gefühlen vorhanden ist und authentischer und liebevoller Umgang gelebt wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Mensch seine eigene Grenze, einen Selbstwert sowie eine gute Selbstregulation entwickelt. Wer diese Erfahrung nicht gemacht hat, hat in meinem Verständnis eine höhere Tendenz, sich selbst auszubeuten und in einen Burnout zu fallen.

Denn wenn ich als Kind langanhaltende Grenzüberschreitungen erlebt habe, wird es mir als Erwachsener sehr schwer fallen, wirklich im Leben anzukommen, meine eigene Grenze zu spüren, diese anzuerkennen und demnach zu handeln. Die Frage nach dem „Was möchte ich, was möchte ich nicht?“ ist nicht eindeutig bzw. wird negiert. Negative Dinge werden häufig als „normal“ bzw. „stressfrei“ wahrgenommen, Schönes als etwas „Stressiges“ und Bedrohliches erlebt, weil es schlichtweg unbekannt und neu ist.

Die eigene Grenze, die eigenen Ressourcen sind nicht klar und Lebensnotwendiges wie die eigenen Bedürfnisse werden nicht (mehr) wahrgenommen, geschweige denn aktiv eingeholt. Das führt in meinem Verständnis letztendlich zum körperlichen Raubbau mit starken Erschöpfungszuständen, aus denen sich anschließend eine Depression entwickeln kann.

Ich persönlich musste nach meinem Burnout ganz viel neu erlernen: Mich selber wieder zu spüren, meine Gefühleauszudrücken, Grenzen zu setzen, zu spüren, wieviel Kontakt mir gut tut und wann es mir zuviel wird, meinen Impulsen zu folgen, mich selbst wieder zu regulieren … Das war mein Weg, um wieder bei mir anzukommen.

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